
In der 13. Plenarsitzung des Karlsruher Gemeinderates vom 28. Juli 2020 wurde über den Antrag über Gemeinwohl-Bilanzen in Karlsruhe diskutiert. Ursprünglich hätte darüber am 30. Juni 2020 entschieden werden sollen. Aus Zeitgründen wurde die Entscheidung auf die nächste Sitzung verschoben.
Vorab hatte die Verwaltung (Dezernat 4: Finanzen, Wirtschaft, …) in einer Stellungnahme empfohlen, diesen Antrag um ein Jahr zurückzustellen. Als Begründung wurden die hohe Auslastung der Mitarbeiter*innen, die aktuellen Herausforderungen der Corona-Pandemie und deren nicht absehbare wirtschaftliche und finanzielle Folgen genannt.
Wir hatten in unserer Pressemitteilung vom 24. Juni 2020 bereits beschrieben, warum es gerade jetzt wichtig ist, die Weichen für eine nachhaltige Wirtschaft zu stellen.
Neben den Antragssteller*innen (GRÜNE, SPD, DIE LINKE) wird der Antrag von KAL/Die PARTEI unterstützt.
Abgelehnt wird er von CDU, FDP, AfD und FW|FÜR.
Stadtrat Thorsten Ehlgötz (CDU) ist der Meinung, dass jedes Unternehmen dieser Stadt sozial handele. Er begründet die Ablehnung damit, dass die CDU zur freien, sozialen Marktwirtschaft stehe. Offensichtlich hat er nicht verstanden, dass die GWÖ ein Instrument genau dafür ist – eine Marktwirtschaft, die die Zusätze frei und sozial verdient.
Stadtrat Tom Høyem (FDP) fürchtet, dass “wieder ein neuer hierarchischer Demokratie- und Überwachungsmechanismus etabliert und eingebaut” wird. Auch diese Aussage zeugt davon, dass die GWÖ-Idee nicht verstanden wurde. Die GWÖ basiert auf Demokratie, Gleichberechtigung, Transparenz und Mitbestimmung – dem Gegenteil von Hierarchie.
Christine Weber (GRÜNE) ist mit der Stellungnahme der Verwaltung, den Antrag um ein Jahr zu verschieben, nicht einverstanden: “Einer Umfrage des deutschen global compact network zufolge, halten 72 % der deutschen Unternehmen die SDGs für ihr eigenes Unternehmen für sehr relevant. Der Staat kann diese Ziele aber nicht alleine erreichen. Den Kommunen und Kreisen fällt hier eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele zu. Es geht hier also nicht um ein Nice to Have, sondern um ein notwendiges Werkzeug, um ernsthaft eine Weiterentwicklung der Wirtschaft voranzutreiben und um Karlsruhe krisenfest aufzustellen.”
Karin Binder (DIE LINKE) macht darauf aufmerksam, dass die GW-Bilanz ein gutes Instrument für Verbraucher*innen ist, um bewusste Konsumentscheidungen zu treffen.
Der Vorsitzende, Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD), merkt an, dass es sich bei der GWÖ nicht um “sozialistisches Teufelswerk” handelt, sondern um “etwas, was in anderen Unternehmen schon offensichtlich Gang und Gäbe ist.” Weiterhin hält er die Gemeinwohl-Bilanz für ein gutes Instrument zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Die komplette Niederschrift der Debatte (Protokoll TOP 8) ist durchaus lesenswert.
Ergebnis
- Die Verwaltung macht im Herbst einen Vorschlag für eine zu bilanzierende städtische Gesellschaft, die dann ab 2021 mit dem Bilanzierungsprozess beginnen kann
- Die Entscheidung über ein städtisches Amt wird in die Haushaltsberatungen verschoben
Wir freuen uns über die Entscheidung für die GW-Bilanzierung einer städtischen Gesellschaft. Damit wagt Karlsruhe einen ersten zaghaften Schritt auf dem Weg zur GWÖ.
Gleichzeitig bedauern wir, dass es selbst für den zurückhaltenden verhandelten Antrag (Gemeinwohl-Bilanz für eine städtische Gesellschaft und ein Amt) vorerst nur halbe Zustimmung gab.
Unser Vorschlag für Karlsruhe, für den wir bei allen Gemeinderatsfraktionen warben, geht deutlich über den Gemeinderatsantrag von GRÜNE, SPD und DIE LINKE hinaus:
- Bilanzierung von mindestens 5 städtischen Gesellschaften und weitere 5 Gesellschaften begeben sich in die Orientierungsphase und werden beraten
- Unterstützung von mindestens 5 privatwirtschaftlichen Unternehmen pro Jahr in Form von Beratung, Vernetzung und Finanzierungshilfe
- Schaffung von 2 Stellen in der Stadtverwaltung
- Stabsstelle für Verwaltungs- und Managemententwicklung
- Wirtschaftsförderung
- Bilanzierung von Teilen der Stadtverwaltung