Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum geplanten Lieferkettengesetz, zu dem ich gerne Stellung beziehe.
Das Lieferkettengesetz befindet sich zurzeit noch auf Kabinettsebene; eine Einigung zwischen den Koalitionsfraktionen ist derzeit noch nicht in Sicht.
Ich würde es begrüßen, wenn wir noch in dieser Legislaturperiode eine Lösung finden, um die Einhaltung von Menschenrechten und Sozial-, sowie Umweltstandards in den Lieferketten besser sicherzustellen. Damit würden wir unserer Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag nachkommen, in dem es heißt: „Falls die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP ( (Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte) zu dem Ergebnis kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen.“ Das Monitoring des NAP hat ergeben, dass zurzeit nur jedes fünfte deutsche Unternehmen die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte umsetzt.
Gleichzeitig dürfen aber auch berechtigte Sorgen der Wirtschaft und besonders des Mittelstands nicht unberücksichtigt bleiben. So können Unternehmer von Deutschland aus in der Regel kaum überprüfen oder sicherstellen, dass Zulieferer im Ausland in der Produktion ihrer Waren bestimmte Standards einhalten. Zulieferer sind grundsätzlich durch den großen Wettbewerbsdruck nur zu spärlichen Informationen über die eigene Produktion bereit. Besonders für mittelständische Unternehmen, die mangels ausreichender Wirtschaftskraft in der Regel kaum Druck auf Zulieferer ausüben können, würden hier unüberwindbare gesetzliche Hürden entstehen. Zudem durchlaufen komplexe Produkte zum Teil mehrere hundert Produktionsstufen an verschiedenen Orten. Es kann nicht erwartet werden, dass Kleinunternehmen hier jedes Glied der Lieferkette sorgfältig prüfen können.
Langfristig gesehen bedarf es zur Schaffung ethischer Lieferketten einer europäischen Lösung. Dadurch würden einheitliche Standards geschaffen, an die sich auch Unternehmen aus Drittstaaten halten müssten, wenn sie ihre Ware in Europa anbieten wollen. Durch ein deutsches Gesetz könnte hier Handlungsdruck auf den europäischen Gesetzgeber entstehen. Dazu muss dieses aber ausgewogen und sorgfältig konzipiert werden.
Aus diesen Gründen würde ich meine Unterstützung für ein Lieferkettengesetz ausdrücklich vom Regelungsinhalt abhängig machen. Ohne den Gesetzesentwurf oder Details des geplanten Gesetzes zu kennen, kann ich keine Bewertung abgeben. Es bleibt also abzuwarten, welchen Vorschlag das Bundeskabinett dem Deutschen Bundestag präsentieren wird.
Mit besten Grüßen
Ingo Wellenreuther